Im Offiziellen Handbuch der Quidditch-Weltmeisterschaft – dem Standardwerk, das vom Quidditch-Ausschuss der Internationalen Zauberervereinigung (QAIZV) herausgegeben wird und in jeder namhaften Buchhandlung der magischen Welt zum (wie viele finden lachhaft überteuerten) Preis von neununddreißig Galleonen erstanden werden kann – ist nachzulesen, dass dieses Turnier seit dem Jahr 1473 alle vier Jahre ausgetragen wird. Wie bei vielen Details, die das wichtigste sportliche Großereignis der magischen Welt betreffen, sorgt auch diese Behauptung für reichlich Kontroversen.
Da im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert ausschließlich europäische Mannschaften gegeneinander antraten, bevorzugen es die Puristen, die Geburtsstunde der Quidditch-Weltmeisterschaft ins siebzehnte Jahrhundert zu verlegen: Seitdem steht das Turnier Teilnehmern aus allen Kontinenten offen. Auch um die Genauigkeit der Turnier-Geschichtsschreibung gibt es hitzige Debatten. Ein Großteil aller rückschauenden Spielanalysen dreht sich um die Frage, ob es Eingriffe magischer Art gab, und, falls ja, ob diese den Ausgang einer Partie fragwürdig machen oder zumindest fragwürdig machen sollten.
Der QAIZV hat die undankbare Aufgabe übernommen, diesen von Gefühlsaufwallungen und anarchischen Tendenzen geprägten Wettbewerb zu überwachen und zu kontrollieren. Das Regelwerk, das sich mit dem unerlaubten Gebrauch von Magie sowohl auf als auch neben dem Spielfeld beschäftigt, umfasst mittlerweile angeblich epische neunzehn Bände. Hier finden sich detaillierte Vorschriften wie: „Es ist strengstens untersagt, zu welchem Zweck auch immer, Drachen mit in das Stadion zu bringen; dies schließt ein, ist aber nicht beschränkt auf Drachen als Team-Maskottchen, Trainer oder Pokalwärmer“ oder auch: „Jegliche Modifizierung eines oder mehrerer Körperteile des Schiedsrichters, unabhängig davon, ob dieser der Modifizierung zugestimmt hat oder nicht, wird mit lebenslangem Ausschluss vom Turnier und möglicherweise sogar mit Gefängnis bestraft.“
Die Quidditch-Weltmeisterschaft ist ein nie versiegender Quell hitziger Streitigkeiten, ein Sicherheitsrisiko für alle, die sie besuchen, häufig genug Ursache für Unruhen und Proteste und für die Gastgebernation ein einziger logistischer Alptraum. Für die Fans aus aller Welt bleibt dieses monströse Sportereignis dennoch das beglückendste Erlebnis, das sie sich vorstellen können.
Geheimhaltungsabkommen
Das Inkrafttreten des Internationalen Geheimhaltungsabkommens im Jahr 1692, das zum Ziel hatte, die Existenz der magischen Welt zu verschleiern, markierte einen Wendepunkt in der Geschichte der Quidditch-Weltmeisterschaft. Die Internationale Zauberervereinigung (IZV) nahm die Quidditch-Weltmeisterschaft ab diesem Zeitpunkt als ein einziges Sicherheitsrisiko wahr: Zu keinem anderen Zeitpunkt setzte in der magischen Welt eine derartige Völkerwanderung ein und nie kamen an einem Ort gleichzeitig so viele Hexen und Zauberer zusammen. Man spielte mit dem Gedanken, das Turnier abzuschaffen, lenkte aber schließlich ein, als dieses Vorhaben zu Massenprotesten und wütenden Drohungen gegen den IZV führte. Die Spiele sollten weiterhin stattfinden dürfen, allerdings nur unter der Aufsicht einer neu gegründeten Aufsichts- und Kontrollbehörde, dem QAIZV. Diesem wurde die Aufgabe übertragen, nach geeigneten Austragungsorten zu suchen (meist entschied man sich für entlegene Moore, Wüsten oder menschenleere Inseln), die Anreise der Besucher zu organisieren (allein zum Finale kommen üblicherweise an die hunderttausend Fans) und während des Turniers für Sicherheit und Ordnung zu sorgen – zweifellos eine der unattraktivsten Aufgaben in der gesamten magischen Welt.
Ablauf des Turniers
Die Anzahl der Länder, die eine Quidditch-Mannschaft zu den Weltmeisterschaften entsenden, variiert von Turnier zu Turnier. Ist die zaubernde Gemeinschaft eines Landes sehr klein, kann es sich als schwierig erweisen, ein Team zusammenzustellen, dass die nötigen Standards erfüllt. Auch andere Faktoren wie internationale Konflikte oder Katastrophen können die Anzahl der teilnehmenden Mannschaften beeinflussen. Wie dem auch sei, jedes Land ist dazu verpflichtet, sein Team innerhalb der ersten zwölf Monate nach dem letzten Turnier anzumelden.
Die Teams werden anschließend in sechzehn Gruppen aufgeteilt, in denen in den folgenden zwei Jahren jede Mannschaft gegen jede spielt, bis schließlich sechzehn Gewinner-Teams übrig bleiben. Während der Gruppenphase ist die Dauer eines einzelnen Spiels auf vier Stunden begrenzt, um einem vorzeitigen Verschleiß der Spieler vorzubeugen. Dies führt unvermeidlich dazu, dass in manchen Gruppenspielen der Schnatz nie gefangen wird, sondern allein die erzielten Tore über den Ausgang entscheiden. Für jeden Sieg in der Gruppenphase erhält eine Mannschaft zwei Punkte. Bei einem Sieg mit mehr als 150 Punkten Vorsprung gibt es fünf Punkte extra, bei 100 Punkten Differenz drei und bei 50 Punkten Vorsprung einen Punkt extra. Im Falle eines Punktegleichstands gewinnt die Mannschaft, die den Schnatz in allen bisherigen Spielen am häufigsten oder am schnellsten gefangen hat.
Die sechzehn Finalisten werden entsprechend ihrer Punkte aus der Gruppenphase in einer Rangliste zusammengestellt. Das Team mit den meisten Punkten spielt gegen das Team mit den wenigsten Punkten, der Zweitplatzierte gegen den Vorletzten und so weiter. Theoretisch bleiben so die beiden besten Mannschaften übrig, und treffen schließlich im großen Finale aufeinander.
Die Schiedsrichter werden vom QAIZV eingesetzt.
Unrühmliche Turniere
Keine Quidditch-Weltmeisterschaft vergeht ganz ohne dramatische Zwischenfälle, aber manche sind in diesem Punkt schlimmer als andere. Einige besonders berüchtigte Turniere werden im Folgenden vorgestellt.
Die Attacke des Killer-Waldes
Der schreckliche Höhepunkt des Finalspiels zwischen Rumänien und Neu-Spanien (heute Mexiko) im Jahr 1809 ging als die wohl übelste Entgleisung eines einzelnen Spielers in die Geschichte der magischen Welt ein. Niko Nenads Mitspieler waren nach dessen Wutausbrüchen in den Halb - und Viertelfinals bereits derart alarmiert, dass sie ihren Trainer zu überreden versuchten, ihn im Finale durch einen anderen Spieler zu ersetzen. Leider stießen sie bei dem ehrgeizigen alten Herrn auf taube Ohren. Nach dem Spiel sagte Nenads Teamkollege Ivan Popa (der für seine lebensrettenden Maßnahmen bei der Katastrophe mit dem Verdienstorden der Internationalen Zauberervereinigung ausgezeichnet wurde) vor einem internationalen Untersuchungsausschuss: „In den vorangegangenen Wochen konnten wir Niko dabei beobachten, wie er sich mit seinem Besen auf den Kopf schlug und vor lauter Frust seine eigenen Füße in Brand setzte. Ich persönlich musste zweimal eingreifen, weil er einem Schiedsrichter an die Gurgel ging. Ich hatte trotzdem keine Ahnung, was er plante, sollte es im Finalspiel nicht nach Wunsch für uns laufen. Ich meine, wer hätte sich so etwas auch ausmalen können? Dafür müsste man schon genau so verrückt sein, wie er es ist.“ Wie genau es Nenad gelang, einen kompletten Wald am Rande der westsibirischen Tiefebene zu verhexen, bleibt ein Geheimnis. Man vermutet jedoch, dass er Komplizen unter einigen gewissenlosen Fans hatte und man konnte ihm nachweisen, dass er ortsansässige Schwarze Zauberer mit nicht unerheblichen Summen bestochen hatte. Nach zwei Stunden lag Rumänien hinten, die Mannschaft wirkte erschöpft. Nenad schlug daraufhin absichtlich einen Klatscher aus dem Stadion heraus, dieser landete in einem Wald jenseits des Spielfelds. Der Effekt entfaltete sich unmittelbar und er war mörderisch. Die Bäume erwachten plötzlich zum Leben, zerrten ihr Wurzelwerk aus der Erde und begannen, auf das Stadion zuzumarschieren. Sie machten alles, was sich ihnen in den Weg stellte, dem Erdboden gleich, es gab zahlreiche Verletzte und einige Tote. Was als Quidditch-Spiel begonnen hatte, wurde zu einer Schlacht Mensch gegen Baum. Die Zauberer konnten sich erst nach einem sieben Stunden währenden Kampf durchsetzen. Nenad wurde niemals verurteilt: Er fiel bereits sehr früh einer besonders gewalttätigen Fichte zum Opfer.
Das Turnier, an das sich keiner erinnert
Der QAIZV besteht darauf, dass das Turnier seit dem Jahr 1473 regelmäßig alle vier Jahre stattgefunden hat. Es erfüllt die magische Gemeinschaft mit Stolz, dass nichts – seien es Kriege, ungünstige Wetterbedingungen oder Störungen durch Muggel – die Zauberer davon abhalten kann, Quidditch zu spielen. Die Weltmeisterschaft des Jahres 1877 umgibt jedoch ein großes Mysterium. Ohne Zweifel wurde das Turnier geplant: Man wählte einen Austragungsort (die Ryn-Wüste in Kasachstan), produzierte Werbematerial und verkaufte Eintrittskarten. Im August wurde der magischen Welt jedoch mit einem Mal bewusst, dass sie keinerlei Erinnerung an das Turnier hatte. Weder diejenigen, die im Besitz einer Eintrittskarte waren noch irgendeiner der Spieler konnte sich auch nur an eine einzige Partie erinnern. Dennoch fehlten aus unerfindlichem Grund dem englischen Treiber Lucas Bargeworthy die meisten seiner Zähne, die Knie des kanadischen Suchers Angelus Peels zeigten nach hinten und man fand die Hälfte der argentinischen Nationalmannschaft gefesselt im Keller eines Pubs in Cardiff. Was während des Turniers tatsächlich passiert – oder eben nicht passiert – war, konnte bis heute nicht befriedigend aufgeklärt werden. Die verschiedenen Theorien reichen vom Massen-Gedächtniszauber, der auf das Konto der Kobold-Befreiungsfront gehen soll (die zu dieser Zeit äußerst aktiv war und zahlreiche unzufriedene anarchistische Zauberer anzog) bis hin zum Ausbruch der Zerebralen Griselkrätze, einer infektiösen Variante der häufiger vorkommenden Gemeinen Griselkrätze, die zu erheblichen Verwirrungszuständen und Gedächtnisverlust führen kann. Wie dem auch sei, man hielt es für angebracht, die Weltmeisterschaft im Jahr 1878 erneut auszurichten. Dies führt natürlich zu einer minimalen Diskrepanz bezüglich der offiziellen These, das Turnier habe seit dem Jahr 1473 alle vier Jahre stattgefunden.
Royston Idlewind und die Fanfarzen
1971 berief der QAIZV einen neuen Internationalen Direktor, den australischen Zauberer Royston Idlewind. Der ehemalige Profispieler hatte seinem Land im Jahr 1966 zum Titel verholfen. Umstritten war seine Ernennung dennoch, vor allem wegen seiner rigorosen Kontrollwut bezüglich des Publikums – eine Haltung, die zweifellos von den zahllosen Zaubern geprägt wurde, die er in seiner Zeit als australischer Star-Jäger ertragen musste. Idlewinds Aussage, das Einzige, was ihn am Quidditch störe, seien die Zuschauer, machte ihn bei den Fans nicht eben beliebter. Die anfängliche Skepsis kippte schnell in offene Feindseligkeit um, als er eine ganze Reihe drakonischer Kontrollmaßnahmen veranlasste. Die größte Empörung erregte das geplante völlige Verbot von Zauberstäben innerhalb des Stadions, einzige Ausnahme sollten die Mitglieder des QAIZV bilden. Viele Fans drohten mit einem Boykott der Weltmeisterschaft 1974. Weil aber leere Ränge insgeheim der Traum von Idlewind waren, war diese Protestkampagne von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Das Turnier begann ordnungsgemäß wie immer und während die Mitwirkung der Zuschauer durch die neuen Regeln stark beschnitten worden war, tauchte auf einmal die „Fanfarze“ auf, ein innovatives neues Musikinstrument, welches von da an jeder Partie Leben einhauchte. Diese bunten, trompetenartigen Objekte stießen laute Anfeuerungslaute oder Rauchwölkchen in den jeweiligen Nationalfarben aus. Je weiter das Turnier voranschritt, desto mehr gerieten die Fanfarzen außer Rand und Band – in etwa direkt proportional zur Erregung ihrer Besitzer. Kurz vor dem Finale Syrien gegen Madagaskar platzten die Ränge aus allen Nähten und jeder einzelne Zauberer und jede einzelne Hexe hatte eine eigene Fanfarze dabei. Als Royston Idlewind auf der Tribüne der Ehrengäste und hochrangigen Funktionären erschien, stießen an die hunderttausend Fanfarzen einen monumental lauten Lippenfurz aus, um sich dann umgehend in die Zauberstäbe zu verwandeln, die sie die ganze Zeit über in verwandelter Form gewesen waren. Angesichts einer Menge, die sich derart über sein Lieblingsgesetz lustig machte, sah sich Royston Idlewind zum sofortigen Rücktritt gezwungen. So hatten selbst die Fans der Verlierermannschaft Madagaskar an diesem Abend noch etwas zu feiern – es wurde eine lange und laute Nacht.
Das Wiedererscheinen des Dunklen Mals
Das vielleicht dunkelste Kapitel in der Geschichte der Weltmeisterschaft der letzten Jahrzehnte ist das Finale Irland gegen Bulgarien, das 1994 im englischen Dartmoor stattfand. Während der Feiern nach dem Spiel, in dem Irland den Titel davontrug, kam es zu einem beispiellosen Gewaltausbruch, bei dem Anhänger Voldemorts andere Zauberer angriffen und einige der ortsansässigen Muggel folterten. Zum ersten Mal seit vierzehn Jahren erschien zudem das Dunkle Mal am Himmel. Dies löste eine Panik aus, bei der viele der Besucher verletzt wurden. Der QAIZV machte dem Zaubereiministerium nach diesem Vorfall heftige Vorwürfe: Die Sicherheitsvorkehrungen seien unzureichend gewesen, schließlich habe man gewusst, dass es im Vereinten Königreich seit langen gewaltbereite Gruppierungen gab, die der Vorstellung von der Reinheit des Blutes anhingen. Royston Idlewind kehrte kurz aus dem Ruhestand zurück, um dem Tagespropheten gegenüber folgendes Statement abzugeben: „War wohl doch keine so blöde Idee von mir, Zauberstäbe bei diesen Veranstaltungen zu verbieten, was?“